Tierphysiotherapie - Ein kleiner Überblick
Dr. Mima Hohmann – 22.07.2021
Die Tierphysiotherapie ist in den letzten Jahren zu einer weiteren wichtigen Therapiemöglichkeit in der Tiermedizin geworden. Man hat erkannt, welche positiven Auswirkungen sie auf die Erkrankungen des Bewegungsapparates und die inneren Organe bei unseren Haustieren hat. Im nachfolgenden Text soll erläutert werden, wo, wie und wann man Physiotherapie beim Tier angewendet.
Die Begriffe Physiotherapie und physikalische Therapie werden oft synonym verwendet. Das Wort „Physio“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Natur, natürlich, die natürlichen Lebensvorgänge betreffend“. Was ist nun Physiotherapie? Sie ist die Behandlung gestörter Körperfunktionen mittels natürlicher Therapieformen.
Der Begriff „Physikalische Therapie“ beschreibt die Behandlung mit physikalischen Mitteln, z. B. mittels Hydrotherapie, Thermotherapie oder Elektrotherapie. Unter den Begriff der Physiotherapie werden die Behandlungen mittels physikalischer Techniken und die Behandlungen durch die „therapeutischen Hände“ zusammengefasst. Die „physikalische Therapie“ ist nur ein Teilgebiet der Physiotherapie.
In der Humanmedizin wird die Physiotherapie in vielen Bereichen eingesetzt, wie z.B. in der inneren Medizin, der Orthopädie, der Chirurgie, der Geriatrie und der Sportmedizin, um nur die wichtigsten zu nennen. In der Veterinärmedizin wird die Tierphysiotherapie in der Orthopädie, der Chirurgie, der Geriatrie, der Traumatologie, der Neurologie und im Hunde- und Pferdesport eingesetzt.
Hier ein kleiner Überblick über die tierphysiotherapeutischen Behandlungsformen, die in der Tiermedizin eingesetzt werden. Die Aufzählung aller Therapiearten/-formen würde den Rahmen des Textes sprengen. Aus diesem Grund werden nur die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen erwähnt:
1. Basistechniken:
- Aktive Techniken: Aktives Bewegen, aktives Bewegen gegen manuellen Widerstand, unterstütztes Bewegen
- Passive Techniken: Lagerungstechniken, passives Bewegen
- Mobilisationstechniken: Traktion, Kompression, Dehnungen
- Gangschulung: Besonders nach Frakturen oder Lähmungen, dazu gehört auch die Hilfsmittel- und Orthesenversorgung
- Haltungsschulung
- Atemtherapie: Drainagelagerungen, Sekretlösung
- Prophylaxen, z.B. die Kontrakturprophylaxe mit oder ohne Fraktur die Pneumonieprophylaxe und die Dekubitusprophylaxe bei schwerkranken Tieren.
2. Spezielle Techniken:
- Funktionelle Bewegungslehre
- Manuelle Therapie
- Motorische Fazilitation (Abgeleitet aus der Humanphysiotherapie vom PNF = Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation)
- Rückenschule
3. Massagetherapie:
- Klassische Massage
- Lymphdrainage
- Bürstenmassage
- Kolonmassage
4. Reflexzonentherapie:
- Bindegewebsmassage (BGM)
- Akupunktmassage nach Penzel
- Akupressur
5. Hydro- und Balneotherapie:
- Kneipp-Anwendungen (Waschungen, Wickel, Güsse)
- Bäder
- Abreibungen, Abklatschungen, Bürstungen
- Bewegungsbad
- Unterwasserlaufband
- Schwimmen
6. Thermotherapie:
- Kryotherapie
- Wärmetherapie
7. Elektrotherapie:
- Niederfrequenztherapie (Iontophorese, Ultra-Reizstrom, TENS = Transkutane elektrische Nervenstimulation)
- Mittelfrequenzströme (Interferenzstromtherapie, Russian Technique Muskelstimulation)
- Hochfrequenzstromtherapie (Kurzwellentherapie)
- Ultraschalltherapie
- Magnetfeldtherapie
- Lasertherapie
Einige auf dem Gebiet der Tierphysiotherapie Tätigen suchen immer wieder nach neuen Möglichkeiten, spezielle humanmedizinische Techniken auf das Tier zu übertragen, mit unterschiedlichem Erfolg. So sind bestimmte Techniken und Griffe sehr gut beim Tier anwendbar, z.B. bei der Massage, andere Techniken hingegen sind auf Grund der zum Menschen unterschiedlichen Anatomie und/oder der sehr eingeschränkten gezielten aktiven Mitarbeit des Tieres nicht möglich. Beispiel: Kein Tier wird nur auf Befehl hin seine Vorder- oder Hinterextremität gegen Widerstand in eine bestimmte Stellung bringen. Gerade diese eingeschränkte zielgerichtete aktive Mitarbeit der Patienten erschwert natürlich die Arbeit des Tierphysiotherapeuten.
Warum und wann setzt man Physiotherapie beim Tier ein? Hier einige Beispiele:
- Zur Wiederherstellung oder zur Annäherung an einen physiologischen Zustand, z. B. die Wiederherstellung des physiologischen Gangbildes nach einer Operation oder Lähmung.
- Zur Verbesserung der Beweglichkeit (Gelenke, Bänder, Sehnen, Muskeln), z.B. bei Arthrose
- Zur Verbesserung der Muskelfunktion und des Muskelaufbaus, z.B. nach einem Kreuzbeinriss
- Zur Schmerzlinderung
- Zum Konditionstraining
- Um Heilungszeit zu verkürzen und/oder die Heilung insgesamt zu optimieren
- Zur Erhaltung des gesunden Körpers (Psychische Wirkung auf das Tier)
- Außerdem zur Vorbeugung bei vorzeitigen Alterungsprozessen, erblich bedingten Anfälligkeiten usw.
- Um bei bestimmten Erkrankungen den Erkrankungsstatus zu halten oder zu verbessern
- Um die Lebensqualität des Tieres zu verbessern
- Bei sportlich aktiven Tieren
Das wichtigste Standbein in der Tierphysiotherapie ist die genaue Untersuchung des Tieres und damit die Befunderhebung. Dadurch wird es dem Therapeuten ermöglicht, die genaue Problematik des Patienten zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen.
Grenzen der Tierphysiotherapie
In Grenzen in der Tierphysiotherapie sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Hauptsächlich werden die Grenzen gesetzt durch
Das Tier:
- Manchmal ist es nicht möglich, das Tier zu behandeln, da es zu aggressiv, zu bissig oder zu ängstlich bei der Behandlung ist.
- Die vorliegenden sonstigen Erkrankungen des Tieres (Tumor, Herzfehler, Allergie usw.) die Therapie soweit einschränken, dass man überhaupt nicht mehr physiotherapeutisch arbeiten kann oder nur sehr gedingt.
- Das Erkrankungsstadium des Tieres spielt auch eine wesentliche Rolle. Liegt z.B. ein geringgradiger Herzfehler vor, so kann z.B. die Schwimmtherapie noch durchgeführt werden, aber bei einem hochgradiger Herzfehler ist davon abzusehen (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Die Therapiemethode:
- Manchmal kann die humanmedizinische Behandlungsmethode nicht auf das Tier übertragen werden, auch wenn sie noch so gut beim Menschen hilft, da das Tier nicht „bewusst“ mitarbeitet.
Der/Die Besitzer/in:
- Kann der Besitzer mit dem Tier umgehen? Kann der Tierbesitzer mit in die Tierphysiotherapie einbezogen werden oder muss der Physiotherapeut alleine am Tier arbeiten?
- Kann der Besitzer seine „Hausaufgaben“ mit dem Hund zu Hause wirklich alleine durchführen oder will der Hund nicht liegen bleiben oder verweigert er die Mitarbeit?
- Ist der Besitzer willens und hat er die Ausdauer bei einem sehr pflegebedürftigen Patienten die Therapie durchzuführen oder wird es ihm „zuviel“?
- Kann der Tierbesitzer die Behandlung zeitlich oder finanziell durchführen?
Kontraindikationen – was spricht gegen die Tierphysiotherapie
Bei manchen Erkrankungen muss die physiotherapeutische Behandlung einge-schränkt werden oder sie kann überhaupt nicht durchgeführt werden. Die wichtigsten Kontrain¬dikationen sind:
- Mgr. bis hgr. Herzerkrankungen,
- Tumorerkrankungen,
- Infektionskrankheiten,
- Hauterkrankungen (Mykosen).
Aber die genannten Erkrankungen sprechen nicht grundsätzlich gegen eine physiotherapeutische Maßnahme. So kann ein Hund z.B. mit hgr. Herzfehler trotzdem mit eine Kältepackung behandelt werden, wenn der Tierbesitzer genau aufgeklärt worden, wo und wie er sie anwenden soll, wie lange und wie oft. Im Endeffekt entscheidet der Tierphysiotherapeut nach gründlicher Untersuchung, ob und wie das Tier behandelbar ist oder nicht. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass der Tierphysiotherapeut vom Tierbesitzer genau aufgeklärt wird, welche Erkrankungen das Tier hat und welche Medikamente das Tier bekommt.
Die Tierphysiotherapie ist altersunabhängig. Man kann auch junge Tiere behandeln, um bestimmte Erkrankungen vorzubeugen, das Tier an die Behandlung zu gewöhnen und es zu verwöhnen. Alten Tieren wird das Leben erleichtert und die Qualität des Zusammenlebens von Mensch und Tier dadurch positiv beeinflusst. Auf das Ihr Tier lange lebt und sich gut bewegen kann, denn „nur wer rastet, der rostet“.
Autorin:
Dr. Mima Hohmann
Fachtierärztin für Physiotherapie
und Rehabilitation (ÖTK)
Zusatzbezeichnung Homöopathie
Mahlmannstr. 15
04107 Leipzig
Osteopathie
Dr. Ute Reiter – 30.10.2012
Allgemein
Die Osteopathie ist eine mit den Händen durchgeführte ganzheitliche Diagnose- und Therapieform. Sie wurde begründet von dem Amerikaner A.T. Still und beruht auf folgenden Grundüberlegungen:
Alles Leben ist Bewegung. Für Beweglichkeit sorgt aber nicht nur das Skelett- und Muskelsystem, sondern buchstäblich jede einzelne Körperzelle einschließlich aller Stoffwechselprozesse nicht zu vergessen die übergeordnete emotionale und mentale Ebene eines Lebewesens.
Parietale Osteopathie
Der Osteopath prüft mit seinen Händen Beweglichkeit und Spannung im myofaszialen und im Skelettsystem, um in den jeweils geeigneten Regionen dem Patienten Heilungsimpulse zu geben. Dabei nutzt der Therapeut den kontinuierlichen Zusammenhang aller bindegewebiger Strukturen und kann so durch die Behandlung einer Region sowohl lokale als auch Fernwirkungen im gesamten Patienten auslösen.
Kraniosakrale Osteopathie
Sie geht auf den amerikanischen Osteopathen W.G. Sutherland ( Schüler von A.T. Still) zurück und ist eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode im kraniosakralen System (Verbindung von Hirn- und Rückenmarkshäuten mit Schädel und Wirbelkanal). Die von diesem System ausgehende Bewegung, der sogenannte kraniosakrale Rhythmus, soll im optimalen Fall in allen Körperregionen uneingeschränkt wahrnehmbar sein. Voraussetzung hierfür ist die freie, wenn auch mancherorts minimale, Beweglichkeit aller Gewebe und Strukturen einschließlich der Schädelnähte.
Viszerale Osteopathie
Sie geht u.a. auf den französischen Osteopathen J.P.Barral zurück.
In der Viszeralosteopathie werden die inneren Organe nicht nur in ihrer Beziehung zueinander und in ihrer Abhängigkeit voneinander untersucht und behandelt, sondern ebenso ihre Beziehung zu allen anderen Systemen. Im Vordergrund steht hier die direkte gegenseitige Beeinflussung zwischen Bewegungssystems, Nervensystem und inneren Organen.
- Wann brauchen auch unsere Tiere eine osteopathische Behandlung?
- bei neurologischen Probleme
- als Reha – Maßnahme nach schwerer OP oder Verletzung
- zur Vorbereitung von Operationen
- z.B. bei stark abgebauter, verspannter oder verkrampfter Muskulatur
- bei nicht mehr oder noch nicht zu operierenden orthopädischen Problemen
- zur allgemeinen Schmerzlinderung
- bei Versagen oder zur Einschränkung von Schmerzmitteln oder bei unklaren Schmerzzuständen, deren Ursache nicht geklärt werden kann
- zur Revitalisierung alternder Tiere
- zur Unterstützung sportlich aktiver Tiere